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Können wir dem Leben vertrauen?

Eine 10-teilige Kolumne von Dr. Sylvester Walch - Teil 1

Mitgefühl üben in schweren Zeiten

Es ist mir eine große Freude, Sie zu meiner ersten Kolumne begrüßen zu dürfen. Lassen Sie mich anfangs ein paar Worte zu mir sagen. Seit nahezu 40 Jahren helfe ich Menschen, Krisen zu bewältigen, Lebensprobleme zu lösen, Sinnfragen zu beantworten und ihre spirituelle Entwicklung voranzubringen. Dabei sammelte ich Erfahrungen in der Psychiatrie, leitete ein psychotherapeutisches Krankenhaus, arbeitete in einer freien Praxis und führte unzählige Seminare durch. Darüber hinaus bilde ich Psychotherapeuten aus, biete Workshops mit veränderten Bewusstseinszuständen (Holotropes Atmen) an und entwickelte einen überkulturellen spirituellen Weg, in dem seelische Heilung und geistige Übung verbunden werden. Meine Erfahrungen habe ich auch in mehreren Büchern ausführlich beschrieben.

Oft werde ich nach grundlegenden Einsichten gefragt, die ich in den vielen Jahren der Begleitung von Menschen gewonnen habe. Zwei Erkenntnisse haben sich für mich immer mehr herauskristallisiert:
 

Wir können dem Leben, so wie es sich vollzieht, grundsätzlich vertrauen.

In unserem Inneren wirkt eine Weisheit, die größer ist als wir selbst.


Diese Sätze wirken angesichts des Leids, das wir tagtäglich antreffen, sicherlich befremdlich. Denken wir beispielsweise an Hunger, Bürgerkriege, Diktaturen, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich oder die Ausbeutung der Umwelt, so wird es vielen schwerfallen, an eine innere Weisheit zu glauben. Dies gilt selbstverständlich auch für individuelle Schicksale, wenn Kinder roher Gewalt ausgesetzt sind, sexuellen Missbrauch erleiden oder Menschen schwere Schicksalsschläge, Erkrankungen oder Unfälle hinnehmen müssen.

Es ist wichtig, diese Sichtweise zunächst anzuerkennen. Das Böse in uns und in der Welt zu verharmlosen oder durch oberflächliche spirituelle Erklärungen wie Karma zu rechtfertigen, wäre zynisch. Häufige Sätze wie „Das hat sicher seinen Grund“ oder „Der ist in seiner Entwicklung noch nicht so weit“ richten Schaden an, weil sich Betroffene in ihrem Leid nicht gesehen fühlen.

Wichtig ist in solchen Situationen, sich verstehend einzufühlen, statt zu erklären, Mitgefühl zu üben, statt sich über andere zu stellen, und Hilfe anzubieten, statt wegzugehen. Jeder Mensch, unabhängig von seinem Schicksal, ist auf Liebe, Wertschätzung und Offenheit angewiesen. Nur so können Wunden geheilt, Verstrickungen aufgelöst und alte Muster abgebaut werden.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und denken Sie an eine Situation, in der Sie sich verzweifelt oder niedergeschlagen fühlten. Vielleicht werden Sie bemerken, wie Sie sich innerlich unsicher oder scheu fühlten. Wenn in solchen Momenten andere belehrend, herablassend oder verständnislos reagieren, ist es, als würde man Salz auf die Wunden streuen.

Darauf reagiert man oft mit Selbstabwertung, was einen Teufelskreis erzeugt. Gerade in solchen Momenten ist es besonders wichtig, Selbstmitgefühl zu praktizieren. Buddha sagt:
 

„Selbst wenn Du alle Winkel des Universums aufsuchst, wirst Du doch keinem einzigen Wesen begegnen, das mehr Herzensgüte verdient hat, als Du selbst.“


Probieren Sie aus, sich selbst gegenüber Mitgefühl zu praktizieren, wenn Sie sich schlecht fühlen, und Sie werden sehen, welche Früchte das trägt. Sie werden weicher, können Ihre Gefühle zulassen und sich für Unterstützung öffnen. Stellen wir uns vor, dass sowohl wir selbst als auch unsere Mitmenschen diese Haltung verkörpern könnten, entsteht eine Atmosphäre, in der Verletzungen heilen, Probleme bewältigt und Wachstum gefördert werden.

Ich selbst muss dieses heilsame Mitgefühl immer wieder üben, um es im richtigen Moment ausdrücken zu können. Trotz der vielen Probleme und Widersprüche, die wir auf dem Weg zur Bewusstwerdung erleben, bin ich überzeugt, dass uns eine innere Weisheit innewohnt. Von Kolumne zu Kolumne wird diese Überzeugung immer klarer werden.

 

 → Teil 2: Dynamik des Leidens und Helfens (kommt in ca.14 Tagen, einfach vorbeischauen!)

 ← Zur Übersicht der Kolumnenreihe: „Können wir dem Leben vertrauen?“

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