Die Idee der inneren Weisheit - Holotropes Atmen

Die innere Weisheit, das transpersonale Selbst

Das transpersonale Selbst

Die Idee von der Inneren Weisheit, dem transpersonalen Selbst ist im holotropen Atmen von zentraler Bedeutung.

Im Folgenden möchte ich deshalb kurz das dahinterstehende Selbstkonzept, in dem ich versuche, personale und transpersonale Ansätze zu verbinden, klarlegen. Eine umfassende Selbst- sowie Ich und Ego Konzeption habe ich in meinem Buch "Vom Ego zum Selbst" vorgelegt, weil es in dieser Diskussion häufig zu Missverständnissen kommt. Für die personale Psychologie bezieht sich das Selbst einerseits auf den Gesamtumfang der Person, also alles was ich zu mir gehörig wahrnehme, fachlich ausgedrückt, die Summe der Selbstrepräsentanzen, und andererseits auf den wesenhaften Kern, also das, was den Menschen im Innersten zusammenhält.

Es stellt eine zentrale innere Instanz des Individuums dar, die durch ihre beständigen Integrationsleistungen das Gefühl einer erlebten Einheit, also die Gewissheit vermittelt, durch alle Veränderungen hindurch, gestern, heute, morgen, mit sich identisch und ein zusammengehöriges Ganzes zu sein. Jacobson sieht das Selbst als "... eine differenzierte und organische Ganzheit, welche getrennt und unterschieden ist von der Umgebung, eine Ganzheit, welche Kontinuität und Richtung hat, sowie die Fähigkeit, inmitten von Wandlungen gleich zu bleiben". Für Horney sorgt das „wahre Selbst“ „für das pulsende innere Leben; es bewirkt die Spontaneität aller Gefühle, sei es Freude, Sehnsucht, Liebe, Ärger, Furcht oder Verzweiflung. Es ist außerdem die Quelle spontaner Interessen und Energien, ..., die Fähigkeit zu wünschen und zu wollen, es ist jener Teil in uns, der sich ausdehnen, wachsen und selbst erfüllen will." Für sie ist es die „ursprüngliche Kraft, die uns zur persönlichen Entwicklung drängt und mit der wir wieder eine volle Identifikation erlangen können". Andererseits wissen wir aus der Psychotherapieforschung, dass psychische Störungen oft auf ein verletztes oder deformiertes Selbst zurückgehen.

In einer grundlegenden Beeinträchtigung des Selbst durch frühe traumatische Erfahrungen, fundamentale Defizite von Geborgenheit und chronische Konflikte, die nicht mehr durch die gewohnten Bewältigungsstrategien kompensiert werden können, kommt die lebensnotwendige Kraft zur Integration häufig zum Erliegen. Ein beschädigtes Selbst gibt uns keinen Halt mehr, die innere Orientierung geht verloren, der emotionale Boden wird brüchig, Spielräume des Denkens und Handelns engen sich ein und die Zukunftsperspektiven verdunkeln sich. Die Heilung der personalen Schicht des Selbst vollzieht sich, wie wir wissen, nur in kleinen Schritten.

Für die transpersonale Psychologie zeigt sich das Selbst jedoch nicht allein auf die Persönlichkeit bezogen, sondern auch in seiner Offenheit hin zum Überpersönlichen. Bildlich gesprochen ist im innersten Kern unserer Persönlichkeit eine Öffnung, durch die das transpersonale Selbst hindurch scheint: Es trägt nach Leibniz den „Funken des Kosmos“ in sich und kann nach C.G. Jung auch als „Gott in uns“ bezeichnet werden. Er beschreibt es folgendermaßen: „Dieses Etwas ist uns fremd und doch so nah, ganz uns selber und uns doch unerkennbar, ein virtueller Mittelpunkt von ... geheimnisvoller Konstitution ... Ich habe diesen Mittelpunkt als das Selbst bezeichnet … (Es) könnte ebenso wohl als 'Gott in uns' bezeichnet werden. Die Anfänge unseres ganzen seelischen Lebens scheinen unentwirrbar aus diesem Punkt zu entspringen, und alle höchsten und letzten Ziele scheinen auf ihn hinzulaufen.“

Ken Wilber sieht „... tief innerhalb des Persönlichen das Transpersonale, das einem weit über das Personale hinausträgt: immer innerhalb und zugleich darüber hinaus.“ Und Emerson spricht von der Einfachheit und Transzendenz der tiefen Kraft, in der wir existieren. Für Erich Neumann ist das transpersonale Selbst das „dirigierende Zentrum“, von dem alle Prozesse angestoßen, geleitet, kontrolliert und ausbalanciert werden und das Selbst ist sowohl für das Psychische wie das Physische transzendent.“

Im Christentum heißt es: „Das Reich Gottes ist in Dir“, im Buddhismus: „Schau nach innen, Du bist der Buddha“, im Siddha-Yoga: „Gott wohnt in Dir als Du“, im Hinduismus: „Atman (das individuelle Bewusstsein) und Brahman (das universelle Bewusstsein) sind eins“, in der islamischen Mystik: „Wer sich selbst kennt, kennt seinen Herrn“. Dort, inmitten unseres Wesens, will sich der evolutionäre Drang des Universums nach Optimierung seinen Weg bahnen, eine innere Lebenskraft, die zur fortschreitenden Ganzheit und zur Verwirklichung drängt. Es ist ein Hologramm, in das der Kosmos eingefaltet ist. Alles ist im Selbst enthalten und daher erwerben wir mehr Wissen über die Dinge, wenn wir das Selbst kennen.

Das personale Selbst ist im transpersonalen aufgehoben, in einem doppelten Sinne, sowohl beherbergt als auch überschritten. Das transpersonale Selbst dient als Brücke zwischen dem existenziellen Selbstbewusstsein und dem transpersonalen Einheitsbewusstsein. Über diese Brücke kommuniziert das letzte Geheimnis mit uns. Meister Eckehart sagt: „Ich will sitzen und will schweigen und will hören, was Gott in mir rede.“ Diese innere Weisheit - eine Quelle von Heilung und Inspiration - fördert und formt unser Leben.

Es gibt also einen Bereich in uns, der mehr weiß, aus dem wir mehr Informationen gewinnen können, als wir gewöhnlich zur Verfügung haben, besonders dann, wenn der Verstand etwas zurückweicht und ruhiger wird. Der Raum der Intuition ist auch der Raum zwischen aufsteigendem und absteigendem Gedanken, der Raum zwischen Einatmen und Ausatmen, die Repräsentation der Unendlichkeit aus der heraus die Innere Weisheit uns Lebensabläufe tiefer verstehen lässt und sich dabei auf das dort zugängliche gesammelte Wissen der Menschheit stützt.

Der Inneren Weisheit nähert man sich, wenn man sich nach innen wendet, in die Stille geht und allmählich die Identifizierung mit dem, was wir sind und was wir haben, loslässt. Dies bewirkt auch eine allmähliche Aufweichung der Egokrusten. Durch die Transformation des Egos, wiederum, entstehen neue Ich–Qualitäten. Das Ich kann dann das transpersonale Selbst erkennen und ihm dienen. Es erlebt wertfreie Liebe und heftet sich nicht an Affekte, sondern begleitet sie. Es wird quasi zum Sinnesorgan des Selbst.

Es existiert in uns als Zeuge ohne Anhaftung und unterstützt uns in den täglichen Pflichten. Es zeichnet sich durch Vertrauen aus, kann prozesshaft reagieren und ist fähig, selbst produzierte Konzepte wieder loszulassen. Je mehr wir mit der Inneren Weisheit verbunden sind, desto mehr können wir auch erkennen, dass alles, was passiert, zum Besten ist. Das gilt nicht nur für Atemsitzungen, sondern bezieht sich auch auf alltägliche Geschehnisse, wenn wir an sogenannte Zufälle denken. Als sich zum Beispiel jemand in Heidelberg beim Spazierengehen verirrte, kam er plötzlich an der Stadthalle vorbei, und er sah dort die Ankündigung von einem Meditationsretreat, das noch am selben Abend begann. Kurzerhand entschloss er sich, teilzunehmen. Das war der Beginn seines spirituellen Weges.

In „Zufällen“ korrespondiert subtil, also häufig ohne unser Wissen, das innere Erleben mit den äußeren Geschehnissen. C.G. Jung nennt dies Synchronizität. Natürlich ist es dann noch nicht entschieden, ob wir solche Fingerzeige auch aufnehmen. Zur Realisation ist unser eigenes Zutun unabdingbar. Das Leben kreiert immer wieder Situationen, in denen wir wachsen können. Auch sollten wir unangenehm scheinende äußere Ereignisse nicht einfach abwehren, denn sie bergen häufig wichtige Botschaften in sich, die es zu erschließen gilt.

Einschneidende und schicksalhafte Widerfahrnisse, wie Krankheiten und existenzielle Krisen, können auch Entwicklungsdrehpunkte sein, in denen ruckartig klar werden kann, was zu tun ist. Dabei werden vertraute Bezüge aufgebrochen, oberflächliche Lebensstile konfrontiert und neue Prioritäten gesetzt. Lerne von allem - jede Situation ist ein helfender Freund – und jedes Hindernis ist ein ermutigender Lehrer. Sri Aurobindo sagt: Ich bin ein vollkommener Schüler. Ich lerne von allem.

Jean Gebser führt dazu aus, „dass wir die Einsicht gewonnen, in welchem Maße alles, was uns geschieht, gestaltend und kräftigend zu unserem Leben, nämlich zu uns selber gehört, und dass es somit durchaus abwegig ist, sich über Missgeschick und dergleichen zu beklagen …“. Es ist eine ungewohnte Sprache, die wir lernen müssen, wenn wir uns auf diese Einsichten stützen. Unser eigener Geist wird dann zum radikalen Ort der Veränderung, denn gelingt das, ändern sich auch die Umstände. Wenn wir diese Einstellung, die mit dem Satz “Alles ist zum Besten” ausgedrückt werden kann, inmitten des Alltags verwirklichen, werden Furchtlosigkeit, Gelassenheit und tiefer Frieden eine bezaubernde Atmosphäre in unser Leben bringen. Das Leben wird dann zu einem täglichen Abenteuer.

Tipp: Spirituelle Übung > Unterstützung durch Intuition